Überformen

Petra Noll

Hans Kupelwieser gehört zu den wichtigsten Konzept- und Medienkünstlern in Österreich. Möchte man seinen skulpturalen Zugang betonen, dann hat er durch die Verschränkung zahlreicher Medien, die Verwendung unkonventioneller Techniken und Materialien sowie durch seinen reflexiven wie gleichzeitig experimentell-assoziativen Zugang die Definition von Skulptur bzw. Objektkunst wesentlich erweitert. In der Kunsthalle Nexus zeigt er eine Installation mit Arbeiten der letzten zehn Jahre sowie mit aktuell in diesem Jahr geschaffenen Werken. Großformatige Fotogramme, mehrfarbige Skulpturen, Leuchtkästen, Reliefs, eine Tisch-Skulptur sowie Rotationsobjekte verstehen sich als Bestandteile eines komplex konzipierten Systems, in das auch der Ausstellungsraum integriert ist. Grundsätzlich bewegt sich Kupelwieser im Grenzbereich zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Dies führt ihn in einer prozessualen Arbeitsweise zu Transformationen, Überschneidungen und Umkehrungen von Formen, Verfahren und Materialien und damit zu neuen Erscheinungen, Realitätsebenen und Bedeutungen. Das Medium ‚Fotogramm‘, die ohne Kamera entstehende direkte Belichtung eines dreidimensionalen Gegenstandes auf einem lichtempfindlichen Bildträger – Kupelwieser verwendet hier Alltagsdinge wie Erdäpfel, Spaghetti, Kabel oder Möbelstücke sowie in der Ausstellung auch Müll und Äste – begleitet ihn bereits von Anfang an. Seit den 1980er-Jahren hat er unzählige Fotogramme, meist in Schwarz-Weiß, in unterschiedlich großen, häufig meterlangen Formaten produziert. Das Fotogramm versteht sich per se als Medium zwischen Zwei- und Dreidimensionalität: Aus einem Ding-Objekt entsteht zunächst ein „flaches“ Bild. Dann können die Ding-Schatten im Fotogramm wiederum als Vorlage für aus (u.a.) Stahl und Aluminium geschnittene Objekte dienen – ein Weg von der Ent- zur Rematerialisierung. Die entstehenden Objekte haben nichts mehr mit dem Aussehen des Ausgangsgegenstands zu tun und werden so zu autonomen Kunstwerken. Oder ein Fotogramm wird zerknüllt und mutiert zum plastischen Relief. Oder es entstehen Reliefs aus Materialschichtungen. Das wahrnehmerische Spiel mit den Dimensionen führt Kupelwieser immer wieder auch zum Einsatz von Bewegung. Er lässt Objekte rotieren, so dass sie durch die Geschwindigkeit verzerrt und entkörperlicht werden und dadurch zu einer anderen Form finden. Das Licht spielt nicht nur im Medium Fotogramm, sondern in der gesamten Raumkonzeption eine dominante Rolle. Es bedingt reizvolle Farbwirkungen, wie bei einem Leuchtkasten mit einem C-Print von farbigen, überlappten Kunststoff-Einkaufstaschen. Oder es wird mit einem Laser ein Stuhl aus der Dunkelheit geholt: Das Licht wird dort zurückgeworfen, wo der Laser auf den Stuhl trifft. Licht schafft Reflexionen, Verzerrungen, veränderte Oberflächen. Kupelwiesers „Vasentischvase“, einem in einem Tisch integrierten, mit Wasser gefüllten Kunststoffbehälter, wirkt wie eine Linse und nimmt die Spiegelungen des Raumes auf. In der Ausstellung sind es vor allem eine Wand-Drehskulptur sowie eine in der Farbpalette der Präraffeliten – Rot, Blau und Orange – gehaltene Bodenskulptur aus Aluminium, deren gebrochene, mehrfach gefaltete Oberfläche durch die Spiegelungen des Raumes noch eine zusätzliche Verzerrung und damit neue Erscheinungsform bekommen. Das Überformen (so der Ausstellungstitel), Weiterentwickeln, Neukodieren, der Transfer in andere „Aggregatzustände“ (H.K.) ist Kupelwiesers Prinzip. Der Kern bleibt erhalten, aber „es geht“, so der Künstler“, „immer weiter wie in einem sich selbst generierenden System“.